Zeitalter Mittelalter
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 Geschicktes Marketing im römischen Rotlicht

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BeitragThema: Geschicktes Marketing im römischen Rotlicht   Geschicktes Marketing im römischen Rotlicht I_icon_minitimeSa Sep 28, 2013 10:04 am

Geschicktes Marketing im römischen Rotlicht

Geschicktes Marketing im römischen Rotlicht

Coupons für die käufliche Liebe

München, 20.03.2013 von Andrea Schütze

Spintria
Man lernt nicht aus. Als ich heute bei Facebook meine Startseite und sämliche Abonnements durchsah, geriet ich an ein Bild, das ich bisher aus dem numismatischen Bereich nicht kannte, nämlich Münzen mit erotischen Darstellungen, die zudem auf der anderen Seite einen Zahlwert aufwiesen. Wer sollte das als Geld ausgegeben haben?
Bisher war das Münzrecht immer ein Regal, also ein Vorrecht des Herrschers, das er dann auch verleihen konnte, aber Erotika auf Münzen und noch dazu in sehr derber Art wie man es von figürlichen Darstellungen und Wandmalereien her kennt, das war mir neu.
Hinsichtlich des Eros-Verständnisses besteht zwischen heutigem christilich geprägtem und antikem Abendland doch ein gewaltiger Unterschied, denn in der Antike stand man der Erotik und Sexualität in vielen Dingen weit lockerer gegenüber als das heute der Fall ist, auch wenn es hier deutliche Abgrenzungen gab.

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Erotik war in der Antike zu gewissen Anlässen erlaubt, aber es war – damals wie heute – immer eine recht feinfühlige Differenzierung danach, was erlaubt war und was nicht. Die heute etwas plakativ vertretene Auffassung in der Antike hätte wilde sexuelle Freizügigkeit geherrscht, die ist sicherlich falsch. Man war in der Antike – anders als dann später im Christentum – nur gegenüber dem Körperlichen und Sexuellen natürlicher eingestellt, sah es nicht per se als schlecht, sondern es kam darauf an…

Die Venus von Milo
Also Venus-Darstellungen, die christliche Eiferer zur Zerstörung oder Stigmatisierung anregten, die regten im alten Rom niemanden auf. An den Lupercalien beispielsweise, dem Fest des Herdengottes Faun zu dessen Ehren Ziegenböcke geopfert wurden, liefen die Priester nackt und nur mit den Fellen der Opfertiere bekleidet durch die Gegend. Verheiratete Frauen stellten sich ihnen bisweilen gerne in den Weg und ließen sich von ihnen mit einem Riemen schlagen, weil das als Zeichen der Fruchtbarkeit galt. Aber das war auch nur für verheiratete Frauen schicklich. An freizügigen Festen wie diesem oder den Saturnalien, das unserem Fasching ähnlich war, war es hingegen für die Töchter eher angesagt, sich zurückzuziehen. Genauso galt es als unwürdig, wenn ein Senator seine Frau in der Öffentlichkeit küsste.
Das was heute gerne vorgeführt wird an phallischen Symbolen, waren Medaillons oder andere Mittelchen, die die Fruchtbarkeit oder den Haussegen überhaupt erhalten sollten.

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Also man sah ihn ihnen nicht eine heute mit Scham behaftete pornographische Darstellung, sondern das waren magische Hilfsmittel, denn der Glaube an Magie und Zauber war damals alltäglich. Was heute dem Versandbestand von Beate Uhse angehört, besaß oft einen anderen Kontext. Der Phallus über dem Türeingang war keine direkte sexuelle Anspielung, sondern ein Symbol für Prosperität, die erhalten werden sollte und auf jedem erdenklichen Gebiet.
Das Nebeneinander von Prostitution und Bürgertum, wie man es in Pompeji beispielsweise antrifft, auch das war nicht per se eine Toleranz der Prostitution als etwas Gutgeheißenes, das der Familienvater auch für seine Töchter und seine Ehefrau wünschen würde, aber man sah Prostitution als etwas Nützliches an, weil es geeignet war die soziale Sicherheit vor sexuellen Übergriffen zu erhalten. Diese Sichtweisen galten auch noch im Mittelalter und bis in die Neuzeit hinein. Bester Beleg dafür war, dass Bordelle in Städten von diesen selbst und bisweilen auch von der Kirche betrieben wurden. Das heißt die lokalen Grenzen zwischen Prostitution und Bürgertum, so wie wir sie heute als “Sperrbezirke” kennen, die sind erst in der Neuzeit, und hier auch mit dem Aufkommen von Geschlechtskrankheiten, allen voran der Syphillis entstanden. Prostitution bedeutete seit dieser Zeit eine Gefahr und so wurden im Rahmen von quarantäneähnlichen Aktionen Sperrbezirke entwickelt, aber nicht um die Prostitution als solche, sondern die von ihr ausgehende Seuchen- bzw. Gesundheitsgefahr zu bannen. Daher erklärt es sich, wenn man in antiken Städten Bordelle neben bürgerlichen Wohnhäusern findet. Das brauchte auch nicht weiter zu stören und bedeutete für die Damen des bürgerlichen Hauses auch keine weitere Gefahr, weil Frauen sich – wie heute noch im Süden üblich – so gut wie nicht außerhalb des Hauses bewegten, und wenn, dann nur in schutzbietender Begleitung durch Sklaven etc.

Griechische Trinkschale mit eindeutigen Darstellungen
Daneben gab es aber auch den Bereich der Pornographie, der nicht anders als heute, für die Öffentlichkeit verpöhnt war. Es gab damals wie heute Sexspielzeuge, erotische bis pornographische Mosaiken, Gemälde und Fresken, sowie Statuen, aber all dies war für den intimen Zirkel gedacht. Was wir heute von antiken Symposia im alten Griechenland kennen und auf diversen Trinkschalen unverblümt dargestellt wird, war nichts für “anständige” Frauen, sondern die Damen. Trinkgelage waren reine Herrenabende und die Damen, die dort anwesend waren, waren Prostituierte. Wenn wir weiter von Orgien der römischen Kaiser und der römischen Oberschicht hören, dann bedeutete dies einmal nicht, dass dies gängig war, sondern vielmehr als eine Ausschreitung erwähnt wurde und weiter bedeutet die Erwähnung durch Autoren wie Sueton beispielsweise nicht, dass die Römer dies gebilligt hätten, wie dies bisweilen mißverstanden wird, sondern diese Darstellungen finden sich immer im Kontext mit Personen, die als besonders verwerflich präsentiert wurden, so dass auch dies als Abwertung zu verstehen war. Nicht anders verhält es sich mit entsprechenden Arena-Darbietungen, die gleichfalls nicht anders als heute eine gewisse Masse ansprechen sollte, die nur mit Sex, Gewalt und vollem Bauch ruhig gehalten werden konnte.

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So nach diesem Ausflug zurück zu den Münzen mit den Erotika. Man nennt sie nach den Frauen auf den Münzen auch Spintria, was der lateinische Ausdruck für Prostituierte bzw. Hure war. Diese Darstellungen gleichen jenen, die wir von Wandmalereien aus römischen Bordellen in Pompeji kennen. So sind diese Münzen in ihrem Einsatzgebiet auch in diesem Umfeld einzuordnen.
Nach dem Dargestellten hinsichtlich öffentlicher Akzeptanz und Toleranz gegenüber sexueller Freizügigkeit kann man nicht davon ausgehen, dass es sich hier um “echte” Münzen handelte, sondern es wird sich hier um Coupons gehandelt haben, die in den entsprechenden Häusern eingesetzt werden konnten, sei es für Dienste generell oder für die darauf dargestellten Handlungen. Fraglich bleibt, was der Zahlwert jeweils wert war.
Denn eines ist aus den Quellen immer wieder überliefert: Die Prostituierten Roms waren alles andere als dumm und äußerst geschäftstüchtig, so dass dies ein Beleg für einen geschickten Marketing-Gag darstellen dürfte.

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Und dass dies kein römisches Phänomen blieb, sondern sich bis nach England herumsprach, belegt dieser Artikel.

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